Das typische Galerie-Erlebnis: Weiße Wände, wenig Bilder.
Schon im Artikel “Warum sehen die meisten Kunstgalerien gleich aus” habe ich mich der Frage gewidmet, warum die meisten Galerien kaum einladend wirken. Eine meiner gewagten Ideen dazu ist, dass manche Galerien gar nicht wollen, dass sich “normale” Menschen rein trauen, sondern sich gezielt an Kunstsammler richten.
Heute möchte ich näher auf die weißen Wände und die steril wirkenden Räume eingehen.

Klar, es gibt es viele gute Gründe für weiße Wände. Trotzdem finde ich es schade, das viele Galerien generell nur auf weiße Wände setzen, als sei es ein ungeschriebenes Gesetz. Denn manche Kunstwerke wirken tatsächlich besser vor farbigen oder dunklen Wänden - wie zum Beispiel das Gemälde im Foto.
Das Titelfoto ist während meiner Reise durch Ungarn im April 2019 in Budapest entstanden. In der Erika Deák Galéria habe ich dieses weiße Gemälde vor weißer Wand entdeckt. Auf dem Bild sind feine florale Strukturen, denn das Thema der Ausstellung Floral Centrepiece waren Blüten, Blumen und Blühen - kombiniert mit Poesie. Die Galeristinnen waren sehr freundlich, trotz einiger Sprachbarrieren.
Warum sind Wände in Kunstgalerien meist weiss Und geht es auch anders?
Gründe für weiße Wände in Galerien
Es gibt gute Argumente für weiße Wände:
- Weiß ist neutral, nichts kann von den Bildern ablenken.
- Weiß steht für Reinheit, steht für den ungestörten, reinen Kunstgenuss: Die Farben des Bildes treten in den Vordergrund und müssen sich nicht anstrengen, mit andere Farben zu konkurrieren.
- Weiß reflektiert alle Wellenlängen des Lichtes, somit werden keine Farben “verschluckt”.
- Kunst braucht Raum, um zu wirken und sich nicht vom Umfeld beeinflussen zu lassen. In einer Galerie steht eben die Kunst im Mittelpunkt.
Nicht immer dominieren weiße Wände
Aber nicht immer müssen die Räume weiß sein: Einige Museen und Galerien präsentieren die ausgestellten Gemälde vor farbigen Wänden, insbesondere wenn Kunstwerke der alten Meister gezeigt werden. Denn damals waren weiße Wände nicht die Norm.
So zum Beispiel im Museum der bildenden Künste in Leipzig
Hier werden die Gemälde vor einem dunklen, kräftigen Rot gezeigt. Herr Dr. Jan Nicolaisen, Leiter der Sammlungen Malerei und Plastik, erklärt hierzu:
“Das kräftige Rot für die französische Salonmalerei des 19. Jahrhunderts orientiert sich an der historischen Präsentationsform der Bilder. Diese Bilder wurden von den zeitgenössischen Malern für farbige Hintergründe geschaffen, nicht für weiße Wände. Das hatten sie schon bei der "Produktion" der Bilder im Hinterkopf. Daher ist auch die Wandfarbe für die großen französischen Salonbilder des 19. Jahrhunderts im Louvre in Paris ein ähnliches Rot.“

Dank der Antwort von Herr Dr. Jan Nicolaisen habe ich wieder was gelernt. Und gleich weiter geforscht. Die weißen Wände, die heute Standard in vielen Häusern sind, kamen erst vor etwa 100 Jahren in Mode. Walter Gropius gilt als Gründer der Bauhaus-Moderne: Für ihn war die Farbe Weiß Fortschritt, hygienisch, modern, das Gegenteil der muffigen Vergangenheit.
Über die Salonhängung oder wie viel Platz braucht ein Bild
In Kunstgalerien sieht man oft ein Bild vor einer großen Wand. Allein - fast ein bisschen verloren. Nichts kann den Betrachter ablenken. Wie in Kaufhäusern, in denen ein teures Stück präsentiert wird, steht das wertvolle Kunstwerk im Mittelpunkt.
Der Gegenentwurf ist die Salonhängung, die auch als Petersburger Hängung bekannt ist. Eindrucksvolle Beispiele dafür finden sich natürlich in der Sankt Petersburger Eremitage, und im Skagens Museum in Dänemark. In Verkaufsgalerien mit zeitgenössischer Kunst habe ich sie bisher sehr selten gesichtet.
Warum ich meine Galerie wohnlich GESTALTET HABE - ganz anders als die meisten Kunstgalerien
Mein Ziel ist es, viele Menschen für Kunst zu begeistern, und die typischen Hemmungen vor Kunst zu nehmen
Darum habe ich meine Räume bewusst anders als die typische konventionelle Galerie gestaltet - besonders einladend und freundlich. Ich möchte, dass sich meine Gäste bei mir wohlfühlen und es sich für sie ein bisschen wie zu Hause anfühlt, behaglich und wohnlich.
Außerdem soll sich der Besucher vorstellen können, dass die Kunstwerke sich in einer nicht-sterilen Umgebung angenehm einpassen, ja sogar ganz anders entfalten können.
Der Fußboden mit einem roten Hotelteppich. Die Wände zum größten Teil in Cremé-Weiß, dazu gibt es eine graue und sogar zwei kleinere schwarze Wände. Okay, eine schwarze Wand haben die wenigsten zu Hause. Obwohl sie aber wie Weiß ebenfalls neutral sind, sind diese Farben für Galerien eher ungewöhnlich. Der Clou: Helle Bilder strahlen regelrecht vor der schwarzen Wand.

In meinen Räumen habe ich eine Wand mit der Salonhängung gestaltet
Hier wirkt eher die Gesamtheit als das einzelne Werk, die Werke hängen dicht an dicht, von unten bis unter die Decke über die gesamte Höhe der Wände.
Ich liebe diese Wand:
Denn ich kann immer etwas Neues entdecken. Ich stehe gern davor und lasse meinen Blick schweifen. Jedes Mal bleibe ich an einem anderen Bild hängen und entdecke neue Zusammenhänge, weil die Bilder miteinander in Beziehung stehen.
Das ist meine Empfehlung für diese Art der Hängung:
Irgendetwas sollte die einzelnen Werke verbinden: Sei es die gleiche Größe, der gleiche Rahmen oder eben mit oder ohne Passepartout. Bei meiner Wand habe ich den Trick angewandt, nur Bilder mit Passepartout zu platzieren, so wirkt es ruhiger.

Bei wem zu Hause sieht es so steril wie in manchen Galerie aus?
Ja, ich kenne Menschen, die in sehr leeren, aufgeräumten Räumen wohnen und ich empfinde es einerseits als spannend und klar, aber eben auch als kühl und ungemütlich.
Doch nicht jeder hat eine riesige, leere, weiße Wand zu Hause
Bei mir zu Hause sieht es anders aus. Warme Farben, weicher Teppich, schwarze Fliesen und eine rot-goldene Ornament-Tapete als Detail zu den hell gestrichenen Wänden. Das strahlt für mich Wärme und Gemütlichkeit aus, es fühlt sich behaglich an.
Darum hoffe ich, dass meine Galerie-Räume dich einladen, sich bei mir wohl zu fühlen und Kunst mit anderen Augen zu sehen. Eine Galerie zum Reintrauen.
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Judith (Freitag, 17 Mai 2019 08:54)
Toller Artikel, Susanne! Ich finde es schade, dass viele Museen so steril wirken. Ich persönlich finde die Petersburger Hängung total schön und mache das auch zuhause mit meinen Bildern.
Roland Nicolaus (Samstag, 10 Juli 2021 14:31)
Guten Tag und danke für die gedankliche Anregung zu einem eigentlich augenscheinlich wirkenden Gesprächsthema. Das wird allerdings fast vollständig von Meinungsäußerungen dominiert, die gesättigt sind von Meinung, aber frei von praktisch begründeter Berufung.
Der Hinweis auf Gropius und das Bauhaus erklärt vieles, wenn hier der Kern zu einer neuen Esoterik gesehen werden darf. Es war nicht die Kampfansage gegen „ Muff“, vielmehr eine Flucht in Verzicht und ängstliches Vermeiden von „sowohl-als-wie- auch“. Wer Reinheit predigt, lädt ein zu Langeweile und letztlich Dogmatismus: ein Fest für schlichte Gemüter mit dem Bedürfnis nach Anerkennung. Auf dem Feld der Reinheit und des Verzichtes lauert kein Stolperstein und kein Graben, der entschlossenen Mut zur Entscheidung abverlangt: Springen und dabei gegebenenfalls Straucheln ist die Parole der im Herzen echten Künstler.
So deute ich mir die Angst vor Farbe, auch bei denen, die sich beruflich mit verteilter Farbe, auf Wand und Leinwand, beschäftigen. Interessante Fußnote, womöglich ein „Deutsches Problem“?